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26
Jan
2022

Warum ich “The Great Resignation” vor allem für eine gute Schlagzeile halte.

In einigen Staaten, allen voran in den USA, konnte man ab etwa Frühling 2021 einen deutlichen Anstieg der arbeitnehmerseitigen Kündigungen beobachten.

Der amerikanische Organisationspsychologe  Anthony Klotz von der Mays Business School in Texas interviewte hunderte Menschen, die ihren Job gekündigt hatten, zu den Motiven ihrer Entscheidung und kündigte in einem Bloomberg Interview im Mai 2021 die Zeit der “The Great Resignation” an. Die Pandemie hätte sehr viele Menschen dazu veranlasst, über Ziele, Wunschvorstellungen und die Sinnhaftigkeit, ihrer Karriere nachzudenken, und würde in der Folge damit zu einen sprunghaften Anstieg an Kündigungen führen.

“I don’t know why I used the word ‘great’ and called it ‘The Great Resignation,'” he told Insider of his interview with Bloomberg, but said he had been using that phrase at home, when he was talking to his wife about what would happen to workers.

Businessinsider, 2.10.21

Erzeugt wurde jedenfalls ein sprunghafter und auch weltweiter Anstieg der Bekanntheit des Begriffs “The Great Resignation”, auch befeuert durch die Microsoft Studie The Work Trend Index, die mittels Befragung von mehr als 30.000 Beschäftigten in 31 Ländern im März 2021 herausgefunden haben wollte, dass global mehr als 40% aller Arbeitnehmer_innen überlegten, noch im selben Jahr (2021) ihren Arbeitgeber zu verlassen.

Und so erreichte der Begriff – teilweise auch als “The Big Quit” bezeichnet – auch Österreichs Medien.

Keine Anzeichen einer Great Resignation in Österreich 

Ein erfreuliches Relikt der nicht mehr existierenden Auflösungsabgabe, die Arbeitgeber_innen zwischen 2013 und 2019 in gewissen Fällen zahlen mussten, ist, dass wir noch immer eine recht gute Statistik (etwa 85% Erfassung) zu den Auflösungsgründen von Dienstverhältnissen haben. Die folgenden Zahlen belegen jedenfalls bisher keinen Anstieg der Kündigungen durch Dienstnehmer_innen in der Hoch- und Spätphase der COVID-Pandemie.

Anmerkung: Auffällig ist hier eigentlich nur der immens hohe Anstieg an einvernehmlichen Auflösungen im Jahr 2020, der sich – betrachtet man die Monatszahlen – praktisch zur Gänze mit dem ersten Monat des Lockdowns (2/2020: 32.000, 3/2020: 190.000!) erklären lässt. Damit wird klar, wie es denn möglich war, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich – trotz an sich geltender Kündigungsfristen – in der 2. Märzhälfte 2020 um rund 200.000 Personen steigen konnte.

 

Und in den USA?

Die sogenannte Quits Rate misst den Anteil der Arbeitnehmer_innen pro Monat, die ihr Dienstverhältnis selbst lösen, an der gesamten Workforce. Richtig ist, dass diese von den in den USA langjährig üblichen rund 2,3% auf zuletzt 3% (November 2021) gestiegen ist.

Doch rechtfertigt ein solcher Anstieg, der sich noch dazu teilweise mit den aufgeschobenen Kündigungen im unsicheren Jahr 2020 erklären lässt, wirklich die Bezeichnung “The Great Resignation”? Ein Ausdruck, der ja wohl nicht unabsichtlich an “The Great Depression” erinnert? Jene jahrelange Wirtschaftskrise der 30er Jahre, die Arbeitslosenraten von mehr als 25% auslöste und die Durchschnittslöhne jener US-Bürger_innen, die noch Arbeit hatten, um 60% fallen ließ?

Ich denke wohl nicht. Natürlich haben viele Menschen auf der ganzen Welt während Corona Zeit gehabt über Sinn und Unsinn ihres Arbeitslebens nachzudenken. Viele wunderbare Vergnügungen, die uns sonst von tieferen Gedanken ablenken, waren ja gar nicht möglich. Aber ist die aktuelle Entwicklung in den USA wirklich so beachtlich, so unerwartet?

Vor allem 2020 war ein Jahr der Unsicherheit für uns alle, für viele in den USA auch ein Jahr von Arbeitslosigkeit. Bestimmte Branchen waren dabei von Corona nicht nur stärker, sondern auch noch länger betroffen. Noch immer spüren vor allem Unternehmen und Beschäftigte im Tourismus – auch in Österreich – diese Probleme sehr deutlich.  Betrachtet man die US Quits Rate nach Branchen, so fällt sofort auf, dass zwei Branchen mit ihren hohen Werten herausstechen. Es sind dies “Leisure and Hospitality” mit 6,4% und “Accomodation and Food Services” mit sogar 6,9%. Fast die Hälfte aller Kündigungen in der USA fiel in diese zwei Bereiche.

Die genannten Unsicherheiten vor allem dieser Branchen und ein Wirtschaftswachstum von mehr als 5% schon im Jahr 2021 erklären für mich die Entwicklung in der USA ganz gut. Auch die US-Arbeitslosenquote hat ja im Wesentlichen wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Quelle: US Department of Labor

Ich bin gespannt, wie es mit der Quits Rate weiter geht, aber wenn die etwas schwächeren Wirtschaftsprognosen für die USA für 2022 stimmen, dann würde es mich nicht wundern, wenn auch die Quits Rates wieder auf ein für die USA normaleres Niveau sinken werden.

Und bei uns?

Für Österreich ist auch für 2022 ein unglaubliches Wirtschaftswachstum von 5% vorausgesagt. Noch nie haben die Betriebe dem AMS so viele offen Stellen gemeldet wie jetzt. Wir erwarten Arbeitskräfteknappheiten in nahezu allen Branchen. Auch wenn wir bisher noch keinen Anstieg der Dienstnehmer_innen-Kündigungen bemerken, so sollte man sich doch darauf einstellen, dass sich die bisherigen Marktverhältnisse bei der Mitarbeiter_innensuche 2022 ändern werden. Es wird für Unternehmen merkbar schwerer werden, neue Beschäftigte zu finden. Bewerber_innen können bereits jetzt aus viel mehr Angeboten wählen und es wird wohl auch da und dort zu höheren Löhnen kommen müssen, um etwa veränderungswillige Beschäftigte anzusprechen.

In einem solchen Arbeitnehmer_innenmarkt werden vor allem jene Betriebe “die Nase vorne” haben, die es schaffen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Flexibilität, Arbeitszeiten, Vereinbarkeit, Weiterbildungsangebote, Betriebsklima, Sinnstiftung, Mitarbeiter_innenorientierung, Homeoffice, technische Ausstattung und so weiter werden einige der Themenfelder sein, in denen es darum gehen wird, Bewerber_innen und veränderungsbereite Mitarbeiter_innen zu überzeugen. Das AMS berät Unternehmen dabei – auch unter Einbeziehung erfahrener Unternehmensberatungen – gerne. Fragen Sie Ihre/n AMS Betriebsbetreuer_in nach unserer Impulsberatung. 

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5 Responses

  1. Christian Glück

    Lieber Herr Dr. Kopf, als Kollege vor Ort im Bezirk Krems muss ich vehement widersprechen: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Selbstkündigungen immens gestiegen, eine Zeitlang haben wir sogar den Eindruck gehabt, fast JEDES DV wird selbst gelöst. Meist haben diese Menschen aber schnell wieder ein anderes DV gefunden gehabt, wodurch sich das bei den §11-Sanktionen nicht so ausgedrückt hat.

  2. Bettina Huber

    Danke für die Einblicke. Bin gespannt, wie sich die Tourismusbranche entwickeln wird, nachdem einerseits einige Arbeitnehmer_innen diese Branche verlassen haben und andererseits laut Medienberichten der Tourismus auf dem Niveau der 70iger Jahre ist. Spannend, wohin die Arbeitneher_innen gehen und, ob und welche neue Tätigkeitsfelder entstehen werden. Vielleicht erwartet uns ja wirklich ein Ansturm englischer Tourist_innen, nachdem Dave Ryding sensationell erstmals für Groß Britannien einen Sieg im alpinen Ski Weltcup geholt hat 🙂

  3. Gerade im Tourismus aber eigenartig, dass es bei d angebl Entwicklung, f jemand der sich mit Joberfahrung auf d Ausschreibung in einer anderen Hotelkategorie bewirbt, zumeist 0 Reaktion – was ich generell als unfair betrachte – od Absagen bekommt, weil angebl nicht qualifiziert. Ok als AHS Maturaabsolventin steht man BMHS Absolventinnen gegenüber, aber f Rezeptionstätigkeit ist das laut früheren AMS Studien nicht sehr relevant. Und so lustig ist 8 Stunden stehen, ohne sich niedersetzen zu dürfen auch nicht. Und d Bezahlung auch nicht. Scheint mir eher an d Einstellung der Rekrutier zu liegen

  4. . . . als Blogmember, zu meinen 2021er Ausführungen zur “Great Resignation”, nachbetrachtend, da würde ich auf Deutsch mittlerweile lieber mit “Der große Rückzug” übersetzen, wie ich es der Redakteurin Eva auch zum Artikel empfahl, anstatt 1:1 — Resignation weist auf Deutsch per se stärker auf einen psychologischen Effekt hin (wie Depression zur “Great Depression”) als in den englischsprachigen Ländern. Im Konnex würde ich auch die “Work-Life-Balance” der jungen Generationen sehen, darüber tauschten wir uns ja in Wien bei Vorträgen von Pendl&Piswanger als auch im Amerika-Institut aus (siehe Link, leider zu früh verstorben, der liebe Hermann):