Die Schattenspringer_innen
Irgendwo westlich von Wien, in irgendeiner der vielen AMS Geschäftsstellen, habe ich einen Kollegen, der sich vor wenigen Tagen zum ersten Mal gegen Corona impfen hat lassen. „Na endlich“, ist man versucht zu sagen und schüttelt vielleicht sogar ein wenig mitleidsvoll den Kopf.
Er war der letzte in seiner Abteilung, der noch ungeimpft, mehrfach pro Woche einen neuen negativen Testnachweis vorzeigen musste. Ein wenig verschämt hat er seiner Vorgesetzten von der Impfung erzählt und dies mit der ausdrücklichen Bedingung verknüpft, dass sie es niemandem in seiner Abteilung erzählen dürfe.
Und so merkwürdig seine Geschichte jetzt auch klingt, so meine ich doch, dass ich darüber berichten muss. Es ist nämlich eine Geschichte in der jemand – trotz der Angst sein Gesicht zu verlieren – über „seinen Schatten springt“. Er war es nämlich, der seit Monaten gegenüber den Kolleginnen und Kollegen argumentiert hat, warum er die Impfung als falsch ansieht.
Und so gehen in diesen Wochen hoffentlich ganz viele – aktuell mehr als 10.000 pro Tag – unserer Mitmenschen, auch Freunde, Verwandte, Kolleginnen und Kollegen zur ihrer ersten Corona-Impfung. Und es ist dies für sie alle weit mehr Überwindung, als es für die meisten von uns war, die wir die Impfung schon sehnlichst erwartet haben.
Die weit überwiegende Zahl der heute noch ungeimpften Menschen in unserem Land sind nicht böse, einfach rücksichtslos oder verrückt. Viele von ihnen haben bewusst oder unbewusst Angst vor der Impfung. Anderen fehlt das Vertrauen in die moderne Medizin, die Medien, weltweit operierende Pharmaunternehmen oder in unsere Regierung. Wieder andere sehen es als gute Gelegenheit um aufzuzeigen, dass sie mit „dem politischen System“ wie es ist, einfach nicht zufrieden sind.
Sie alle werden jetzt vom Staat und der Mehrheit mehr und mehr zur Impfung gedrängt. Und damit wird es für viele immer schwerer über ihren Schatten zu springen.
Deshalb mein Vorschlag: Feiern wir doch jede oder jeden, der sich nun impfen lässt als Schattenspringer_in und gratulieren wir ihm/ihr und uns.
Auch deswegen gehe ich morgen zum „Lichtermeer“ von Daniel Landau und Roman Scamoni. #YesWeCare (Infos dazu gibts hier)