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22
Aug
2014

Mehr Geld für Junge, mehr Arbeit für Alte

Es gibt einen Weg, Benachteiligungen für Jüngere und ältere im Arbeitsleben zu entschärfen. Über die Pensionsbeiträge könnten Lebenseinkommen ausgeglichen werden. Ein Denkanstoß.

Regierungsparteien ist es mehr denn je bewusst, und meine Kolleginnen und Kollegen an den Schaltern des Arbeitsmarktservice (AMS) erleben es täglich hautnah: Ältere Menschen haben es besonders schwer, wieder Arbeit zu finden. Ihre Arbeitslosenzahlen steigen ständig und leider auch überproportional.

So unterschiedlich die Gründe dafür und die Maßnahmen dagegen diskutiert werden — je nachdem welcher Sozialpartner sie gerade betrachtet — eines steht fest: Den Vorwurf “Ältere sind zu teuer!” hört man von Betrieben oft. Und tatsächlich steigt das Einkommen im Laufe des Berufslebens in Österreich im internationalen Vergleich besonders rasch und stark an. Vereinfacht kann man sagen, dass wir in jungen Jahren, in denen viele von uns eine Familie gründen, besonders wenig und dann, wenn die Kinder bereits aus dem Haus sind, besonders gut verdienen. Darauf hat etwa die OECD Österreich in ihrem vielbeachteten Bericht Live longer, work longer bereits 2006 hingewiesen und 2013 erneut von Österreich eine Abflachung der Lebenseinkommenskurve gefordert.

Ältere Mitarbeiter werden also rasch teurer. Aber gleich um so viel? Die Statistik Austria hat aus den Lohnsteuerdaten 2012 der ganzjährig vollzeitbeschäftigten Angestellten den Median der Bruttojahreseinkommen in Österreich errechnet. Demnach ergeben sich für die einzelnen Altersgruppen folgende Steigerungen:

  • AltersgruppeBruttojahreseinkommen
    20–29-Jährige29.995 Euro
    30–39-Jährige43.161 Euro
    40–49-Jährige49.773 Euro
    50–59-Jährige53.880 Euro
    ab 60-Jährige77.944 Euro

 

Blendet man die durch eine Reihe von Sonderfaktoren — zum Beispiel durch das niedrigere Pensionsalter von Frauen — verursachte zusätzliche Steigerung ab 60 aus, so ergibt sich bei den Angestellten, der größten Gruppe der unselbstständig Erwerbstätigen, zwischen den 20- bis 29-Jährigen und den 50- bis 59-Jährigen eine Gehaltsdifferenz von rund 80 Prozent! Bei Beamtinnen und Beamten liegt dieser Wert bei rund 54 Prozent, bei Vertragsbediensteten bei rund 23 Prozent. Nur die im Anteil kleiner werdende Gruppe der Arbeiterinnen und Arbeiter weisen eine flachere Gehaltskurve mit einem Plus von nur rund elf Prozent aus.

Sosehr die Problematik dieses Umstandes allen bekannt ist und der Ruf nach Abflachung der Lebenseinkommenskurve auch schon 20 Jahre alt ist: Bisher habt es nur eine Handvoll Branchen — die auch lobend erwähnt gehören — geschafft, die Situation durch grundlegende Änderungen im Kollektivvertrag zu verbessern, etwa die Maschinen- und Metallwarenindustrie oder die Banken. Eben weil eine Änderung dieses Senioritätsprinzips aber Kollektivverträge aus einer Reihe von nachvollziehbaren Gründen offenbar kaum möglich ist, deshalb soll hier eine gänzlich neue Idee zur Diskussion gestellt werden:

Die Abflachung der Lebenseinkommenskurve durch die schrittweise Einführung eines sich allmählich — von der Arbeitgeberseite zur Arbeitnehmerseite — verschiebenden Pensionsversicherungsbeitrages. Die Pensionsversicherung eignet sich für diesen Vorschlag deswegen besonders, weil sie mit der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) im Wesentlichen nur einen großen Träger hat und wegen der Ersatzzeitenfinanzierung auch die kontinuierlichsten Versicherungsverläufe aufweist.

In Österreich beträgt der Pensionsversicherungsbeitrag derzeit 22,80 Prozent, wovon 10,25 Prozent der Dienstnehmer und 12,55 Prozent der Dienstgeber zu begleichen haben. Blendet man nun zur Vereinfachung zunächst jene 2,30 Prozent des höheren Anteils des Arbeitgebers aus, da dieser Satz auch weiterhin von diesem bezahlt werden soll, so verbleiben 20,50 Prozent, die als Gesamtbeitrag zwar gleich bleiben, die aber Dienstnehmer bzw. Dienstgeber zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich belasten sollen.

Beitragslast verschieben

Denn künftig sollen junge Menschen bei ihrem Berufseinstieg keinen Pensionsversicherungsbeitrag mehr leisten, weil dieser zur Gänze von Dienstgeberseite übernommen wird. Mit dem Ansteigen des Lebensalters jedoch verschiebt sich die Beitragslast schrittweise immer mehr zur Dienstnehmerseite, die gegen Ende des Berufslebens die ganzen 20,50 Prozent des Beitrags bezahlt. Demnach sind also junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens für den Arbeitgeber etwa um zehn Prozent teurer, verdienen aber auch mehr. Ältere hingegen haben verglichen mit heute ein reduziertes Einkommen, werden aber aus Arbeitgebersicht immer billiger. (Dieser arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Effekt wird für den Arbeitnehmer durch die Lohnsteuer jeweils in beiden Richtungen abgeschwächt.)

Die Verteuerung der Arbeit von jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern — die ja auch Probleme am Arbeitsmarkt haben — ist sicher kritisierbar, allerdings liegen die Probleme hier meines Erachtens meist weniger bei den Kosten als im Bereich fehlender Qualifikation.

Obgleich dieser Vorschlag zunächst komplex erscheint: Mithilfe eines Computers kann für die verschiedenen Arbeitnehmergruppen eine neue Pensionsversicherungs-Beitragssatz-Tabelle erstellt werden, die sicherstellt, dass — über das Erwerbsleben verteilt — die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Pensionsversicherung die gleiche Balance aufweisen wie jetzt.

Die “Mitte”, in der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite einen gleich hohen Beitragssatz zahlen, kann daher nicht die rechnerische Mitte zwischen 15 und 65 (also 40 Jahre) sein. Da Ältere mehr verdienen und nach diesem Modell die höhere Beitragslast tragen, wird sich als Ausgleich die “gerechte Mitte” nach oben verschieben. (In diesem Zusammenhang ist sicher auch zu diskutieren, ob und wie durch spätere Eingriffe in die Tabelle demografische und dynamische Effekte künftig Berücksichtigung finden sollen.)

Natürlich könnte eine derartige Änderung des Pensionsversicherungssystems nur schrittweise, etwa in zehn Jahresschritten (also pro Jahr jeweils zirka ein Prozentpunkt) jeweils zum Jahresanfang, erfolgen. Und natürlich gäbe es bei einer Umstellung zunächst nicht nur Gewinner. Benachteiligt könnten sich vor allem jene Menschen fühlen, die heute etwa 40 Jahre — so wie der Autor — sind.

Demografische Last

Ihrem Argument, wonach sie die höheren Beiträge im Alter zahlen müssen, obwohl sie nicht vom höheren Einkommen in der Jugend profitiert haben, kann meines Erachtens guten Gewissens mit dem Argument entgegengetreten werden, dass sie von der künftigen demografischen Last im Pensionssystem relativ gesehen noch weniger betroffen sein werden als künftige Generationen.

Dieser Text erschien am 22.8.2014 als Gastkommentar in der Zeitung Der Standard

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